Zu den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen gehören die Bilanzkennzahlen. Eine davon ist die goldene Bilanzregel, alternativ auch goldene Bilanzierungsregel genannt. Kennzahlen fassen ganz allgemein die wichtigsten Bilanzzahlen zusammen und stellen sie untereinander ins Verhältnis.
Durch die goldene Bilanzregel ist somit das langfristig gebundene Vermögen langfristig und das kurzfristige Vermögen kurzfristig zu finanzieren. So lässt sich die Liquidität des Unternehmens abbilden.
Goldene Bilanzregel: Wichtiger Faktor Fristenkongruenz
Die betriebswirtschaftliche Finanzierungs- und Investitionslehre unterscheidet folgende drei Finanzierungsregeln:
- Liquiditätsregel
- horizontale Proportionalitätsregel
- vertikale Proportionalitätsregel
Hier kommt die Fristenkongruenz ins Spiel. Sie ist die – bestenfalls eins zu eins – Übereinstimmung von langfristigem Vermögen mit langfristig gebundenem Kapital. Für die Liquiditätsplanung ist sie somit ein ausschlaggebender Faktor.
Das eingesetzte Kapital muss dem Unternehmen so lange zur Verfügung stehen, bis es sich amortisiert, einfacher ausgedrückt gerechnet hat.
- Bei Umlaufvermögen wie beispielsweise Vorräten ist das dann gewährleistet, wenn sie als Ware oder Produkt zeitnah umgeschlagen, das heißt weitergegeben oder verkauft werden.
- Beim Anlagevermögen mit Grundstücken, Gebäuden und Maschinen ist die Situation komplett anders. Sie verbleiben langfristig über Jahre und Jahrzehnte im Unternehmen, bis sie sich anhand der jährlichen Abschreibung amortisieren. Über die im Anlagevermögen gebundenen finanziellen Mittel muss das Unternehmen in einem dementsprechend langen Zeitraum auch tatsächlich verfügen – können.
Bilanzkennzahlen und Deckungsgrad
Diese Fristenkongruenz überträgt die goldene Bilanzregel in zwei Kennzahlen, die jede für sich berechenbar sind. Sie werden als Deckungsgrad 1 und 2 bezeichnet.
- Deckungsgrad 1 ist die goldene Bilanzregel im engeren Sinn. Beschrieben wird das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Anlagevermögen mit der Maßgabe, dass der Quotient gleich 1 oder größer sein soll.
- Bei Deckungsgrad 2 wird, zusätzlich zu Deckungsgrad 1, das langfristige Fremdkapital mitberücksichtigt. Ist lediglich Deckungsgrad 2 erfüllt, so ist das ein Indiz dafür, dass nicht genügend Eigenkapital vorhanden ist, um das gesamte Anlagevermögen zu finanzieren. Eine langfristige Finanzierung ist zwar gesichert – allerdings nur mithilfe der Fremdfinanzierung. Das Unternehmen hängt am Tropf seiner Geldgeber. Vor diesem Hintergrund wird der Deckungsgrad 2 als silberne Bilanzregel bezeichnet.
Goldene Finanzierungsregel
Sie ist eine andere Bezeichnung der goldenen Bilanzregel, wird jedoch anders und ergänzend definiert. Zu den Grundsätzen einer soliden Finanzierung gehört es, jederzeit die Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten. Jede Kapitalinvestition muss wirtschaftlich sein. Insofern entscheidet die Fremdfinanzierung sowohl über die eigene Rentabilität als auch über die künftigen Zinsen.
Die goldene Finanzierungsregel lässt sich mit einer eigenen Formel berechnen.
- Anlagevermögen – langfristiges Vermögen / langfristiges Kapital: unter 1
- Umlaufvermögen – kurzfristiges Vermögen / kurzfristiges Kapital: über 1
Nicht alles ist golden an der goldenen Bilanzregel und Finanzierungsregel
Ein entscheidendes Kriterium ist die prozentuale Eigenkapitalquote des Unternehmens. In Deutschland ist sie mit 20 bis 30 Prozent plus minus ausreichend gut.
Bei Unternehmen im produzierenden Gewerbe ist es eher die Seltenheit, das Anlagevermögen ausschließlich mit Eigenkapital zu decken. Somit ist die goldene Bilanzregel im engeren Sinne nicht erfüllt. In solchen Fällen ist sie eher eine Orientierungshilfe als eine aussagekräftige Kennzahl.
Andererseits kann ein Unternehmen trotz Erfüllung der silbernen Bilanzregel und der goldenen Finanzierungsregel insolvenzgefährdet sein – beispielsweise dann, wenn Verbindlichkeiten vor dem Eingang von Forderungen fällig werden. Die Schlussfolgerung lautet daher: für das kurzfristige Tagesgeschäft ist die Steuerung des Cashflows von weitaus größerer Bedeutung als die Bilanzstruktur.
Schulden machen und damit Gewinn erzielen
Der gewiefte Bilanzbuchhalter macht selbst aus Schulden noch Gewinne. Wie das geht?
- Die steuerliche Bemessungsgrundlage wird durch Fremdkapitalzinsen reduziert, nicht jedoch durch Dividenden
- Das Gesellschafterdarlehen kann sich unterm Strich finanziell günstiger auswirken als eine Kapitalerhöhung
- Die marktüblichen Darlehenszinsen verringern den zu versteuernden Unternehmensgewinn und fließen insofern direkt dem Unternehmen zu
- Dieser Gewinnzuwachs muss zwar versteuert werden – gleichzeitig lassen sich oftmals nur kalkulatorische Betriebsausgaben sowie Werbungskosten steuerlich geltend machen
Die Devise lautet: Rechnen, rechnen und noch mal rechnen!
Goldene Bilanzregel: Leverage Effekt nutzen – so geht’s
Ein weiterer Vorteil von Fremdkapital ist der Leverage Effekt. Das englische leverage heißt zu Deutsch Hebel oder Hebelwirkung. Der Leverage Effekt wirkt sich immer dann positiv aus, wenn die Gesamtkapitalrendite des Unternehmens den Fremdkapitalzinssatz übersteigt. In dieser Situation kann selbst die zu hundert Prozent fremdfinanzierte Investition renditeträchtig, das heißt rentabel sein. Dieser Aspekt wird an keiner Stelle der goldenen Bilanzregel erfasst oder gar berücksichtigt.
Resümee Goldene Bilanzregel
Die goldene Bilanzregel ist keineswegs das Nonplusultra bei der Bilanzbewertung, sondern allenfalls eine Faustformel oder eine – wenn auch nicht zu vernachlässigende – Orientierungshilfe. Sie taugt allerdings nicht als überzeugendes oder einzig zwingend schlüssiges Steuerungsinstrument.
Ana Karen Jimenez ist Redakteurin beim Deutschen Coaching Fachverlag und hat ihren Bachelor in Literaturwissenschaften und Spanisch an der Eberhard Karls Universität Tübingen abgeschlossen. Sie ist in den Magazinen für lesenswerte Ratgeber und vielfältige Kundentexte verantwortlich.